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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 16.11.2005
Aktenzeichen: 9 U 69/05
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 19
GmbHG § 56
1. Die Bareinlageverpflichtung des Gesellschafters einer GmbH kann dieser nicht durch Verrechnung mit Ansprüchen auf Rückzahlung von zuvor an die Gesellschaft darlehenshalber geleisteten Beträgen erbringen. Eine solche als Aufrechnung gegen den Anspruch der Gesellschaft auf Leistung einer Bareinlage zu qualifizierende Verrechnung seitens des Gesellschafters ist nach § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG unzulässig.

2. Eine Aufrechnung der Gesellschaft mit dem Anspruch auf die Stammeinlage gegen Darlehensansprüche des Gesellschafters ist grundsätzlich zulässig, wenn sie gegenüber einer vollwertigen, fälligen und liquiden Gegenforderung des Gesellschafters erklärt wird. Dies gilt allerdings nicht für die Aufrechnung gegenüber Ansprüchen des Gesellschafters, die zum Zeitpunkt der Begründung der Einlageschuld bereits bestanden ("Altansprüche"), da es sich dann faktisch um eine Sacheinlage handelt, § 19 Abs. 5 GmbHG.

3. Die Erfüllung der Einlagepflicht durch eine Vorleistung auf eine zukünftige Kapitalerhöhung ist möglich, sofern das Geld bei der Anmeldung der Kapitalerhöhung der Gesellschaft noch unversehrt zur Verfügung steht, etwa auf einem Sonderkonto der Gesellschaft. Die Zahlung muss in diesem Fall aber mit einer bestimmten Zweckbestimmung geleistet sein.

4. Sofern die Bareinlage vor der Kapitalerhöhung geleistet wurde und zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorhanden ist, kann eine die Einlageverpflichtung erfüllende Leistung nur angenommen werden, wenn der Gesellschafter die Leistung aufgrund einer besonderen Zweckvereinbarung erbringt, aus der sich die Beziehung der Zahlung auf eine künftige Einlageverpflichtung zweifelsfrei ergibt, die Zahlung zudem in engem zeitlichen Zusammenhang mit der nachfolgenden Kapitalerhöhung besteht, die Voreinzahlung in der Krise der Gesellschaft erfolgt und als solche im Kapitalerhöhungsbeschluss, in der Anmeldeversicherung und in der Registereintragung offen gelegt wird.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

9 U 69/05

Verkündet am 16. November 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S. sowie der Richter am Oberlandesgericht S. und Dr. S. auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufungen der Beklagten gegen das am 6. April 2005 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Hannover werden zurückgewiesen.

Von den Kosten der Berufungsverfahren tragen die Beklagten zu 1 und 2 jeweils 20 %, der Beklagte zu 3 11 %, der Beklagte zu 4 8 %, die Beklagte zu 5 12 %, der Beklagte zu 6 9 %, die Beklagte zu 7 9 % und die Beklagte zu 8 11 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Berufungen sind unbegründet, zu Recht hat das Landgericht die Beklagten zur Leistung der Stammeinlagen aus den drei Kapitalerhöhungsbeschlüssen verurteilt.

1. Durch nachträgliche Bareinzahlungen sind die Stammeinlageverpflichtungen der Beklagten nicht erloschen. Lediglich die Beklagte zu 7 hat ausweislich der von ihr überreichten Kontoauszüge Zahlungen im August 2001 und im Oktober 2001 - jeweils in einer Höhe von 20.000,00 DM - geleistet. Da die dritte Kapitalerhöhung am 8. November 2001 erfolgte und die Beklagte zu 7 an der zweiten Kapitalerhöhung vom 3. Juli 2001 nicht beteiligt war, käme von vornherein nur in Betracht, die Zahlungen auf die erste Kapitalerhöhung vom 25. April 2001 zu beziehen. Insofern fehlt es jedoch an der erforderlichen Tilgungsbestimmung. Diese ist auch nicht entbehrlich, da sich der Betrag der Einzahlung nicht mit der von der Beklagten zu 7 übernommenen Stammeinlage (2.500 DM) deckt. Die Zahlung vom 15. August 2001 ist jedoch mit keiner Zweckbestimmung verbunden worden, die Zahlung vom 5. Oktober 2001 weist in lediglich allgemeiner Formulierung "Finanzierung 10/01" aus, was eher für eine laufende Unterstützung der Gesellschaft spricht, nicht aber für die Leistung auf die bereits sechs Monate zuvor übernommene Stammeinlageverpflichtung.

2. Die Einlageverpflichtungen der Beklagten sind nicht dadurch erloschen, dass eine Verrechnung der Verpflichtungen auf Leistung von Stammkapital mit Ansprüchen der Gesellschafter auf Rückzahlung von zuvor an die Gesellschaft geleisteten Beträgen erfolgt ist. Eine solche Verrechnung durch den Verzicht auf Darlehensansprüche der Gesellschafter wäre als Aufrechnungserklärung zu qualifizieren; Aufrechnungen seitens des Gesellschafters - gegen den Anspruch der Gesellschaft auf Leistung einer Bareinlage - sind indes ausnahmslos unzulässig, § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG (vgl. dazu Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, 16. Aufl., § 19 Rdnr. 20).

Es ergäbe sich kein anderes Ergebnis, wenn man von einer in den Kapitalerhöhungsbeschlüssen - möglicherweise im Zusammenhang mit anderen Erklärungen - durch die Gesellschaft erklärten Aufrechnung ausgehen wollte. Zwar ist eine solche Aufrechnung möglich, da sie für zulässig gehalten wird, wenn sie gegenüber einer vollwertigen, fälligen und liquiden Gegenforderung des Gesellschafters erklärt wird (Lutter/Hommelhoff, a. a. O., Rdnr. 22). Allerdings ist die Aufrechnung - gegenüber der Verpflichtung zur Leistung einer Bareinlage - mit einer Gegenforderung stets unzulässig, die zum Zeitpunkt der Begründung der Einlageschuld bereits bestand (Lutter/Hommelhoff, a. a. O., Rdnr. 22, 47). Besteht die Forderung nämlich schon, wird sie - anstelle einer Barzahlung - eingebracht, sodass faktisch eine Sacheinlage vorliegt. Dafür wiederum gilt die Vorschrift des § 19 Abs. 5 GmbHG, die umgangen würde, wollte man die Aufrechnung der Gesellschaft gegen eine bereits bestehende Forderung der Gesellschafter für zulässig halten. Eine Sacheinlage ist aber gerade nicht vereinbart worden. In einem solchen Fall wäre als Einlagegegenstand die entsprechende Rückzahlungsforderung des Gesellschafters anzusehen, die allerdings nur auf dem Wege einer offen zu legenden und der registergerichtlichen Prüfung zu unterwerfenden Sacheinlage eingebracht werden kann (BGHZ 158, 283, 285; vgl. schon BGHZ 51, 157, 159: "Die Verrechnung im voraus eingezahlter Beiträge mit späteren Einlageschulden (ist) nur im Wege der Sacheinlagevereinbarung möglich ... und die hierfür vorgeschriebene Form [§ 56 Abs. 1 GmbHG] (ist) nicht eingehalten").

3. Die Einlagepflicht der Beklagten ist auch nicht dadurch erloschen, dass die Gesellschafter bereits zuvor der Gesellschaft Beträge zur Verfügung gestellt haben, die ihre Leistungsverpflichtungen aus der Kapitalerhöhung überstiegen.

a) Zwar ist eine Vorleistung auf eine zukünftige Kapitalerhöhung möglich, sofern das Geld bei der Anmeldung der Kapitalerhöhung der Gesellschaft noch unversehrt zur Verfügung steht, etwa auf einem Sonderkonto der Gesellschaft (Lutter/Hommelhoff, a. a. O. § 56 Rdnr. 19). In diesem Fall müssten die Beträge aber einerseits mit einer bestimmten Zweckbestimmung geleistet sein, sodass nachvollziehbar bleibt, um welche individualisierten Beträge es sich handelt, die von der späteren Kapitalerhöhung erfasst sein sollen; zum anderen müssen genau diese Beträge der Gesellschaft noch ungeschmälert zur Verfügung stehen. Schuldtilgende Wirkung kommt den Zahlungen also nur dann zu, wenn "der geschuldete Betrag sich entweder in der Kasse der Gesellschaft befindet oder wenn der Gesellschafter auf ein Konto der Gesellschaft einzahlt und dieses anschließend und fortdauernd bis zur Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses ein Guthaben in entsprechender Höhe aufweist" (BGHZ 158, 283, 285). Dies ist hier nicht erkennbar. Einerseits sind mit den den Kapitalerhöhungen vorausgehenden Einzahlungen nur teilweise konkrete Tilgungsbestimmungen verbunden gewesen; im Übrigen decken sich die eingezahlten Beträge nicht mit den später von den Gesellschaftern übernommenen Stammeinlageverpflichtungen, sodass die erforderliche Konkretisierung schon aus diesem Grund ausscheidet. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob - wie die Beklagten allerdings erst mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 26. Oktober 2005 überreichten Schriftsatz vom 25. Oktober 2005 haben vortragen lassen - auf den Gesellschaftskonten ein Guthaben vorhanden war, das sich in der Höhe mit der Summe der einzelnen Kapitalerhöhungen deckt, sodass unentschieden bleiben kann, ob dieses Vorbringen nach § 531 Abs. 2 ZPO - die Beklagten hatten bisher nur pauschal vorgetragen, dass die Beträge noch unverbraucht zur Verfügung standen - noch zu berücksichtigen ist.

b) Die von den Beklagten behaupteten Zahlungen können auch nicht als eine sog. Bareinlage mit antizipierter Leistung qualifiziert werden. Unter besonderen Voraussetzungen kann die Erfüllung eines später begründeten Anspruchs auf Leistung der Stammeinlage durch sog. Voreinzahlung anzunehmen sein, auch wenn der Betrag im Zeitpunkt der Kapitalerhöhung nicht mehr ungeschmälert zur Verfügung steht, nämlich dann, wenn er zur Sanierung gezahlt worden ist (vgl. BGH ZIP 1996, 1446). Eine Anerkennung der Vorauszahlung als Bareinlage setzte voraus, dass der Gesellschafter der Gesellschaft aufgrund einer besonderen Zweckvereinbarung, aus der sich die klare und nachweisbare Zielrichtung ergibt, dass der Betrag auf eine künftige Einlageverpflichtung geleistet werden soll, eine Leistung erbringt, diese - also die Zahlung - zudem in engem zeitlichen Zusammenhang mit der nachfolgenden Kapitalerhöhung besteht, die Voreinzahlung des Weiteren in der Krise der Gesellschaft erfolgt und die Vorleistungen schließlich im Kapitalerhöhungsbeschluss, in der Anmeldeversicherung und in der Registereintragung offen gelegt werden (Lutter/Hommelhoff, a. a. O., § 56 Rdnr. 20 f.; zur Voraussetzung der krisenhaften Situation, also der gebotenen Sanierung der Gesellschafter: BGH ZIP 1996, 1466, 1466 r. Sp. unter Hinweis auf BGH ZIP 1992, 995 und ZIP 1995, 28).

An diesen Voraussetzungen fehlt es, da zunächst schon keine klare und nachweisbare Zielrichtung der Kapitaleinlagen vorliegt. Diese bedarf, da mit ihr zugleich eine Übernahmeverpflichtung begründet wird, der Form des § 55 Abs. 1 GmbHG (Lutter/Hommelhoff, a. a. O., § 56 Rdnr. 21), die hier nicht eingehalten worden ist. Zudem sprechen die Umstände der Einzahlungen gegen das Vorliegen einer Zweckvereinbarung als solcher, die - um Missbräuchen vorzubeugen - auch äußerlich erkennbar sein muss. Es ist auch nicht ersichtlich und seitens der Beklagten gerade nicht geltend gemacht, dass die Zahlungen in der Krise der Gesellschaft, also bei mindestens drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (Lutter/Hommelhoff, a. a. O., § 56 Rdnr. 21), bewirkt worden sind. Nur die besondere Sanierungssituation rechtfertigt indes die Möglichkeit, den eingezahlten Betrag schon vor der Anmeldung der Kapitalerhöhung zu verbrauchen. Die Beklagten selbst haben vorgetragen (Seite 4 des Schriftsatzes vom 16. März 2005), dass ein "dringender Sanierungsfall" nicht vorgelegen habe. Die Vorleistung ist schließlich nicht im Kapitalerhöhungsbeschluss, in der Anmeldeversicherung und in der Registereintragung offengelegt worden. Der Kapitalerhöhungsbeschluss nimmt lediglich pauschal auf eine bereits erfolgte Zahlung Bezug, aber gerade nicht auf eine besondere Vereinbarung und die zeitlich teilweise nicht unerheblich zurückliegende Vorleistung.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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